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Verantwortung

Verantwortung
Nach 1945 wollten viele die Nazi-Zeit schnell vergessen.
Auch die Menschen an der Uni.
Jahrzehnte später fragten die Studenten: • Warum wollen viele die Nazi-Zeit vergessen?
  • Warum reden die Älteren nicht über die Nazi-Zeit?
  • Was haben die Professoren in der Nazi-Zeit gemacht?
Das Fragen war gut: Endlich erinnerten sich die Deutschen.
Die Uni ließ ihre Geschichte in der Nazi-Zeit erforschen.

Die Vergangenheit

In der Nazi-Zeit wurden viele Wissenschaftler vertrieben.
Nach der Nazi-Zeit kamen nur wenige zurück.
Manche Professoren aus der Nazi-Zeit blieben danach Professoren.
Sie wurden erst entlassen – dann wieder eingestellt.
Einer war dagegen: Rudolf Degkwitz war Professor für Medizin.
1948 protestierte er gegen Nazi-nahe Professoren an der Uni.
Er forderte die „Entnazifizierung“ der Uni. Niemand hörte auf ihn.
Studierende an einer Gedenktafel, 1971
HStA; Bestand Conti-Press
Studierende an der Gedenktafel. Die Tafel ist in den Boden eingelassen.

Forschung über die Nazi-Zeit

Die Uni erforschte ihre Rolle in der Nazi-Zeit.
Fünfzig Wissenschaftler erforschten die Geschichte ihrer Fächer.
1991 zeigten ein Buch und eine Ausstellung: So war die Uni in der Nazi-Zeit.
Die Forschung geht bis heute weiter:
  • in einer Arbeits·stelle zur Geschichte der Uni
  • und mit der Veröffentlichung von Schriften.
Außerdem bekommen Hörsäle Namen: die Namen von Wissenschaftlern, die von den National·sozialisten vertrieben wurden.

Die Nazi-Zeit

Die Uni Hamburg war die „erste national· sozialistische Hochschule Deutschlands“.
Die Uni nannte sich selber so.
Die Uni verwaltete sich nicht mehr selbst.
Sie hatte jetzt einen „Führer“.
Die Uni entließ neunzig Mitarbeiter und Professoren: Die National·sozialisten waren gegen ihre „Rasse“ oder gegen ihre Meinung.
Nun fehlten wichtige Professoren und gute Forscher.
Es gab neue Lehren.
Zum Beispiel: „Rassen·biologie“ und „Wehrwissenschaft“. Fast niemand protestierte gegen die Nazi-Ideen.

Gegen die National·sozialisten

Rudolf Degkwitz war Professor für Medizin und Direktor der Uni-Klinik.
1948 schrieb Degkwitz der Leitung der Uni einen Brief.
Degkwitz kündigte an, als Professor und Klinik-Direktor zurück·zu·treten.
Er protestierte dagegen, dass die Uni nach dem Krieg die Nazis nicht entließ.
Protest-Brief von Rudolf Degkwitz, 1948.
Universität Hamburg, HStA, Universitätsarchiv, 361-6_IV 166
Brief von Rudolf Degkwitz an die Uni vom 16. Juni 1948 (Kopie)

Die Haltung der Uni

Zeitungen berichteten über den Rücktritt des Professors.
Viele Menschen erfuhren von Degwitz’ Rücktritt und regten sich darüber auf.
Uni und Hochschul-Behörde diskutierten, wie sie auf den Brief reagieren sollten.
Schließlich schrieb der Rektor der Uni einen Antwort-Brief an Degkwitz.
In dem Brief wies die Uni Degwitz und seinen Protest zurück.
Antwort-Brief des Uni-Rektors an Professor Degkwitz (Kopie)
Zeitungsausschnitt indem Professor Degwitz erklärt warum er Deutschland verlässt,24. Juni 1948
Universität Hamburg, Universitätsarchiv, HStA 361-6 IV 166
Professor Degkwitz begründet seine Auswanderung in der Zeitung.

Die Uni will nichts wissen

Noch im Jahr 1969 wollte die Uni die Nazi-Zeit vergessen.
In einer Schrift zum Uni-Jubiläum stand zum Beispiel: Professor William Stern sei 1933 in den Ruhestand gegangen.
Das ist falsch.
William Stern musste die Uni 1933 verlassen, weil er Jude war.
Festschrift zum 50-jährigen Jubiläum der Uni Hamburg (1969).
Brief von William Stern an die Leitung der Uni vom 27. April 1933 (Kopie)

Die Studenten wollen nicht vergessen

Studenten veröffentlichten 1969 eine Gegenschrift zu der Festschrift.
Darin nennen die Studenten die Uni „das permanente Kolonial-Institut“.
Damit meinten sie: Der Geist der Kolonial-Zeit und der Nazi-Zeit lebt an der Uni weiter.
Die Studenten berichteten über die Nazi-Vergangenheit der Uni. Sie forderten die Uni auf, sich endlich der Vergangenheit zu stellen.
Gegenschrift der Studenten von 1969.
Diese Protest-Schrift von Studenten forderte eine Aufarbeitung der national-sozialistischen Vergangenheit der Uni
Universität Hamburg, Zentralstelle für wissenschaftliche Sammlungen. S. 139- 153
Diese Protest-Schrift von Studenten forderte eine Aufarbeitung der national-sozialistischen Vergangenheit der Uni.

Erforschung der NS-Geschichte

1982 begann die Erforschung der NS-Zeit.
Wissenschaftler der Uni Hamburg erforschten fast neun Jahre lang die Geschichte ihrer Uni.
Danach folgten weitere Studien zur Geschichte der Uni im „Dritten Reich“, das heißt in der Zeit von 1933 bis 1945.
Die drei Bände von 1991 sind das Ergebnis der Forschung.

Ausstellung

Ergebnis der Forschung zur NS-Zeit war nicht nur das Buch, sondern auch eine Ausstellung.
Die Ausstellung erzählte von den Menschen an der Uni, die in der NS-Zeit verfolgt wurden.
Die Ausstellung fand 1991 im großen Hörsaal der Uni statt.
Sie hieß „Enge Zeit“. Angela Bottin gestaltete die Ausstellung.
Katalog zur Ausstellung
Universität Hamburg, Arbeitsstelle für Universitätsgeschichte, Foto: Plessing/Scheiblich
Katalog zur Ausstellung

Noch mehr Bücher

Zur Geschichte der Uni in der NS-Zeit gibt es noch mehr zu erforschen und zu schreiben.
Deshalb gründete die Uni 1986 eine Reihe wissenschaftlicher Bände.
Die Bände entstehen in der „Arbeits·stelle für Universitäts·geschichte“.
Bis 2019 sind sechs·und·zwanzig Bände erschienen.
Die Bände heißen „Hamburger Beiträge zur Wissenschaftsgeschichte“ von 1986 bis 2019

Die Vergangenheit wird öffentlich

Bei der Eröffnung der Ausstellung wurden auch die drei Bücher über die NS-Zeit vorgestellt.
Auf der Eröffnung hielten wichtige Personen eine Rede, zum Beispiel der Soziologe Lord Ralf Dahrendorf aus Oxford und Hamburgs Zweiter Bürgermeister Ingo von Münch.
Ingo von Münch auf der Eröffnung der Ausstellung 1991. Eckart Krause präsentiert die drei Bände.

Starke Eindrücke

Die Ausstellung machte starken Eindruck auf die Besucher.
Über hundert Säulen aus Metall standen im Audimax oben auf dem Rang.
Die Säulen waren groß wie große Männer.
Der Raum war abgedunkelt.
Licht kam in Wellen.
Es sah aus, als bewegten sich die Säulen.
Dazu erklangen Geräusche: wie von vielen Menschen, die marschieren.
Es war, als marschiere da oben eine Armee.
Blick in die Ausstellung.

Gedenken an den Widerstand

Studenten drängten die Uni, an die NS-Zeit zu erinnern.
1971 ließ die Uni eine Gedenktafel im Audimax anbringen.
Die Tafel erinnert an die Studenten aus Hamburg, die Opfer der Nazis wurden.
Die Studenten von damals widersetzten sich dem NS-Staat, ähnlich wie die Studenten aus München, die sich „Weiße Rose“ nannten.
Studierende an der Gedenktafel. Die Tafel ist in den Boden eingelassen.

Nazi-Studenten

Nazi-Studenten schlossen sich in einer Gruppe zusammen, dem „National·sozialistischen Deutschen Studenten·bund“.
Nach 1931 war die Gruppe die größte politische Gruppe im Studenten-Ausschuss.
Die Nazi-Studenten wollten, dass die Uni eine Nazi-Uni wird.
Sie wollten keine jüdischen Professoren.
Jüdische Professoren lehrten danach nicht mehr.
Brief des Anführers der Nazi-Studenten an die Leitung der Uni vom 12. April 1933 (Kopie).

Umbau der Uni

Adolf Rein war Professor für Kolonial-Geschichte und Rektor der Uni.
Von 1934 bis 1938 leitete er die Umgestaltung der Uni.
Adolf Rein wollte politische Schulungen zusammen mit NS-Leuten, er nannte die Schulungen „Politisches Kolleg“.
Aber das konnte Adolf Rein nicht durchsetzen: unter den Kollegen gab es Streit.
Pläne für das „Politische Kolleg“ von 1933.
Zeitungsausschnitt über die Ernennung Adolf Reins zu einem wichtigen Beamten
Universität Hamburg, Universitätsarchiv, HStA 361-6 IV 1161, Bd2, Beiakte 5, 6
Zeitungsausschnitt über die Ernennung Adolf Reins zu einem wichtigen Beamten

Eine „politische Uni“

Adolf Rein wollte schon 1932 eine Nazi-Uni.
Nach 1933 leitete Adolf Rein die Umgestaltung der Uni Hamburg.
Adolf Rein wollte eine „politische Uni“: Die Wissenschaft sollte der Politik folgen.
In dem Buch beschreibt Adolf Rein 1935 seine Ideen von einer politischen Uni..
Universität Hamburg, Arbeitsstelle für Universitätsgeschichte, Foto: Plessing/Scheiblich
In dem Buch beschreibt Adolf Rein 1935 seine Ideen von einer „politischen Uni“.

Politischer Unterricht

1933 wurde eine „politische Fachgemeinschaft“ gegründet.
Sie sollte für politischen Unterricht sorgen.
Sogar eine eigene Fakultät sollte es geben.
Zu einer Fakultät gehört ein Dekan (ein Leiter) und ein Dekan trägt eine Kette.
Man ließ eine Kette entwerfen, aber die Fakultät entstand dann doch nicht.
Muster eines Dekanskettenanhängers für die Politische Fachgemeinschaft mit Hakenkreuz
Universität Hamburg, Arbeitsstelle für Universitätsgeschichte, Foto: Plessing/Scheiblich
1936 wurde dieser Teil der Kette für den Dekan entworfen.

Neue und alte Symbole

Seit der Gründung der Uni gab es vier Fakultäten.
Der Leiter einer Fakultät heißt Dekan.
Dekane tragen Ketten.
Ketten für Dekane haben Symbole.
Manche Symbole sind sehr alt, manche gab es schon in der Antike.
1936 gab es ein neues Symbol: das Hakenkreuz der Nazis.
Die Kette mit dem Hakenkreuz blieb ein Entwurf, weil die geplante Fakultät nicht entstand.
Anhänger der Dekansketten der Fakultäten, Medizinische Fakultät
Universität Hamburg, Universitätsarchiv, Foto: Plessing/Scheiblich
Teil der Ketten für die Dekane (Entwurf von 1921).
Anhänger der Dekansketten der Fakultäten, Mathematische und Naturwissenschaftliche Fakultät
Universität Hamburg, Universitätsarchiv, Foto: Plessing/Scheiblich
Teil der Ketten für die Dekane (Entwurf von 1921).
Anhänger der Dekansketten der Fakultäten, Rechtswissenschaftliche Fakultät
Universität Hamburg, Universitätsarchiv, Foto: Plessing/Scheiblich
Teil der Ketten für die Dekane (Entwurf von 1921).
Anhänger der Dekansketten der Fakultäten, Philosophische Fakultät
Universität Hamburg, Universitätsarchiv, Foto: Plessing/Scheiblich
Teil der Ketten für die Dekane (Entwurf von 1921).

Anpassung

1933 waren nur wenige Professoren Mitglied der Nazi-Partei (der NSDAP).
Aber viele waren für die Ideen der Nazis.
Sie wünschten sich politische Veränderungen und mehr Macht für Deutschland.
Die Professoren passten sich den Nazis an.
Sie protestieren nicht, als viele ihrer Kollegen entlassen wurden.
Feier in der Aula der Uni am 1. Mai 1933.

Der erste Nazi an der Uni

Albert Wigand war 1931 und 1932 Rektor der Uni Hamburg.
Er verbreitete die NS-Ideen.
1932 starb er. Seine Büste stand im Hauptgebäude der Uni.
Wigands Anhänger hielten nach seinem Tod dort Trauerfeiern ab.
Bis 2007 stand die Büste in der Uni.
Dann stürzten Studenten die Büste.
Büste von Albert Wigand aus dem Jahr 1932
Universität Hamburg, Arbeitsstelle für Universitätsgeschichte, Foto: Plessing/Scheiblich
Büste von Albert Wigand aus dem Jahr 1932

Ein Geschenk für die Uni

Albert Wigand hatte national·sozialistische Studenten unterstützt.
Er soll gesagt haben: „Wenn die Studenten Krawall machen, marschiere ich mit wehenden Fahnen voran!“
Albert Wigand starb 1932.
Studenten schenkten der Uni auf der Feier am 1. Mai 1933 die Büste von Albert Wigand.
Kopie des Artikels in den „Hamburger Nachrichten“ vom 26. April 1933.

NS-Studentenführer fordert neue Uni

Wolff Heinrichsdorff war Leiter des Studenten-Ausschusses.
Seit Ende April 1933 war Heinrichsdorff auch „Führer“ der Nazi-Studenten.
Die Nazi-Studenten nannten sich „Hamburger Studentenschaft“.
Auf der Feier am 1. Mai 1933 hielt Heinrichsdorff eine Rede.
Er attackierte die traditionelle Universität und forderte eine politische Uni: eine Nazi-Uni.
Heinrichsdorffs Rede auf der Feier am 1. Mai 1933 (nachgesprochen).
 Brief indem Studenten ein Bekenntnis zum National-Sozialismus von der Uni fordern, 1933
Universität Hamburg, Universitätsarchiv
Brief der Hamburger Studentenschaft an Herrn Professor Dr. Brauer. Studenten forderten ein Bekenntnis zum National-Sozialismus, 1933

Bekenntnis zum National·sozialismus

Die Uni Hamburg bekannte sich auf der Feier am 1. Mai 1933 zum National·sozialismus und zu Adolf Hitler.
Nazi-Studenten setzten Adolf Rein als Hauptredner auf der Feier durch.
Eigentlich hätte Ludolph Bauer, der stellvertretende Rektor, eine Rede halten sollen.
Adolf Rein wurde bald darauf Rektor der Uni.
Kopie des Programms für das Fest am 1. Mai 1933.
Bekenntnis zum National-sozialismus durch einen Leiter der Uni
Staatsarchiv A.170.8.15, S.33-35
Bekenntnis zum Nationalsozialismus. Redemanuskript des Prorektors Professor Dr. Brauer. Staatsarchiv A.170.8.15, S.33-35

Die „Hamburger Weisse Rose“

Einige junge Hamburger waren gegen die Nazis, darunter auch Studenten der Uni.
Sie trafen sich Anfang der 1940er-Jahre in kleinen Gruppen.
1943 und 1944 wurden sie verhaftet. Einige starben in der Haft.
Hans Leipelt wurde hingerichtet.
Später nannte man diese Gruppe „Hamburger Weiße Rose“ (nach der „Weißen Rose“ aus München).
Ausweis-Karten von Studenten der „Hamburger Weißen Rose“.
Flugblatt gegen Nazis von Mitgleidern der Weißen Rose
Universität Hamburg, Arbeitsstelle für Universitätsgeschichte
Flugblatt der „Weißen Rose“, der studentischen Widerständler aus München. Das Flugblatt kursierte auch in Hamburg.
Dokument zum Straf-Verfahren gegen Hans Leipelt
Universität Hamburg, Arbeitsstelle für Universitätsgeschichte
Der Hamburger Student Hans Leipelt wurde von den Nationalsozialisten ermordet. Aus: Angela Bottin, Enge Zeit, 1991